Psychische Erkrankungen als Störungen der sozialen Interaktion

Sozialer Kontakt und die soziale Interaktion mit anderen hat für den Menschen von Geburt an und zeitlebens eine besondere, kaum zu überschätzende Bedeutung für die seelische Entwicklung und Gesundheit. Soziale Interaktionen beeinflussen uns also in unserem Innersten. 

Als Psychiater, Interaktionsforscher und sozialer Neurowissenschaftler vertrete ich die Konzeption einer interaktionszentrierten Psychiatrie, anhand derer psychische Erkrankungen als "Störungen der sozialen Interaktion" aufgefasst werden und die in der Folge zu neuen, integrativen Ansätzen bei der Unterstützung und Behandlung von Betroffenen, aber auch der Erforschung der Grundlagen und Mechanismen psychischer Gesundheit und Krankheit führen soll.

Psychische Erkrankungen werden hierbei als biopsychosoziale Systemerkrankungen angesehen, die ihrem Wesen nach als Störungen der sozialen Interaktion aufgefasst werden. Störungen der sozialen Interaktion können hierbei auf allen Beschreibungsebenen erfasst und hinsichtlich ihrer Auswirkungen untersucht werden.

So ergeben wissenschaftliche Studien Hinweise dafür, dass soziale Interaktionen sowohl als Risiko- und als Resilienzfaktor im Hinblick auf die seelische Gesundheit wirksam werden, d.h. soziale Kontakte, aber auch ihre Abwesenheit können uns krank machen. Soziale Kontakte können aber auch dazu beitragen, dass wir (wieder) seelisch gesund werden. In dieser Hinsicht kommt der Psychotherapie - als soziale Interaktion in einem strukturierten Rahmen - eine besondere Bedeutung zu. Dementsprechend beschäftige ich mich mit der Entwicklung eines transdiagnostisch einsetzbaren Ansatzes der psychotherapeutischen Behandlung von Störungen der sozialen Interaktion.

Weiterhin müssen neben den sozialen Folgen von psychischer Erkrankung auch die sozialen Ursachen für psychische Gesundheit und Krankheit sowie das enge Zusammenspiel mit sozialen Interaktionsfähigkeiten Berücksichtigung finden. Neben der individualpsychologischen Perspektive auf psychische Krankheit sind also stets die sozialen Bezüge der Menschen, aber auch die gesellschaftlichen Lebensbedingungen und ihr Einfluss auf das Individuum zu betrachten. Hierbei ist auch besonders interessant, wie sich die soziale Interaktion auf individualpsychologische Prozesse auswirkt und diese prägt, was sich anhand entsprechender wissenschaftlicher Methoden bis auf die neurobiologische Ebene des so genannten "sozialen Gehirns" verfolgen und nachweisen lässt.

Zusammenfassend stehe ich somit für eine interdisziplinäre, innovative und interaktionszentrierte Konzeption von Psychiatrie, die die Individualität des Menschen in seinen sozialen Bezügen in den Mittelpunkt stellt, insbesondere seine Teilhabe an der Gesellschaft trotz psychischer Erkrankung.